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Consumer Health Informatics (CHI)

Coronakrise - Welche digitalen Angebote helfen könn(t)en

Aktuell werden in der Politik und in den Medien zahlreiche neue Ideen diskutiert, wie man die Verbreitung des neuartigen Coronavirus (COVID-19) besser kontrollieren kann. Dies wirkt sich in Zeiten von Kontaktvermeidung auch auf etablierte Versorgungskonzepte und -strukturen aus. Neuartige digitale Angebote sollen Bürger*innen und Menschen in Gesundheitsberufen dabei unterstützen, den Alltag oder das Berufsleben trotz des Coronavirus aufrecht zu erhalten oder (neu) gestalten zu können. 

Die neuen Angebote unterscheiden sich jedoch in ihrer Zielsetzung und ihren Ansätzen. Für Bürger*innen ist es daher nicht immer einfach den Überblick zu behalten. Die nachfolgenden Texte sollen hier eine Einordnung in aktuelle Themen und Entwicklungen geben. Sie werden in Form von Episoden gezielt aufbereitet und durch die Autoren in regelmäßigen Abständen veröffentlicht.

Übersichtsseite der bisherigen Episoden.


Episode 3 - WirVsVirus - Welchen Beitrag leisten Hackathons?

Ziel

Digitale Anwendungen können dazu beitragen, dass Menschen die Folgen der Coronapandemie besser bewältigen können. Dabei sind ganz verschiedene digitale Ansätze denkbar. Um gemeinsam mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Berufen und mit individuellen Perspektiven, digitale Lösungen zu entwickeln, werden sogenannte "Hackathons" organisiert.

Der Begriff Hackathon setzt sich aus den Wörtern "hacken" und "Marathon" zusammen, es soll über einen - durchaus längeren Zeitraum - Neues ausprobiert werden, um ein Problem zu lösen. Bei Hackathons handelt es sich um Veranstaltungen zur gemeinsamen Entwicklung von Ideen zu Soft- und Hardware. Innerhalb einer bestimmten Zeitspanne sollen innovative digitale Produkte entwickelt werden oder Lösungen für gesellschaftliche Probleme, wie eben die Corona-Pandmie, gefunden werden. Der im März 2020 von der Bundesregierung organisierte "WirVsVirus"-Hackathon diente genau dazu, nämlich Menschen mit unterschiedlichen Ausbildungshintergrund (Medizin, IT, Sozial, uvm.) digital zusammen zu bringen, um gemeinsam Ideen und Lösungen zu entwickeln. Diese sollen es möglich machen, die Coronakrise besser bewältigen zu können. 

ablauf

Die Organisation eines Hackathons folgt keinem festen Regelwerk oder Vorgabe. Doch im Laufe der letzten Jahre haben sich einige typischen Programmpunkte und Abläufe herausgebildet, die im Folgenden kurz vorgestellt werden:

Häufig dauern Hackathons über mehrere Tage, manchmal aber auch nur einen Tag. Eine Regel zur "optimalen" Dauern eines Hackathons gibt es nicht.

Hackathons können dabei sowohl virtuell als auch vor Ort stattfinden. Der Ablauf ist dabei im Großen und Ganzen immer recht ähnlich: Zunächst begrüßt der Ausrichter die Teilnehmenden und präsentiert den Leitgedanken des Hackathon (z.B. gemeinsam gegen Corona). Häufig gibt es auch einen Schirmherren oder eine Schirmherrin, die Grußworte an die Anwesenden richten. Die Teilnehmenden werden oft in Hacker und Coaches unterschieden. "Hacker" meint hier nicht zwangsläufig IT-Fachleute, sondern wird ganz allgemein als Begriff für die Teilnehmenden verwendet, die an den neuen Ideen und Lösungen arbeiten. Coaches sind Expertinnen und Experten, die den Hackern mit fachlichem Rat zur Seite stehen und jederzeit Fragen beantworten können.

Bild: Szene während eines 'typischen' Hackathons. Quelle: ZTG GmbH Bochum.

Nach der Begrüßung können Hacker und Coaches, die sich nicht schon vor Beginn des Hackathon einem Team angeschlossen haben, im Rahmen einer schnellen Vorstellungsrunde die Teams kennenlernen (in diesem Zusammenhang auch gerne als "Speeddating" bezeichnet) und sich einem der Teams anschließen. Danach wird in den Teams an den jeweiligen Ideen gearbeitet, während parallel Vorträge von Expert*innen, erfolgreichen Startups, Sponsoren oder Politiker*innen stattfinden können.

Ein beliebter Programmpunkt sind zum Beispiel auch die sogenannten Fuckup Nights, die häufig abends stattfinden. Bei einer Fuckup Night sprechen Personen über ihre Fehler,  Probleme und letztlich auch über ihr Scheitern.

Ein Zusammentreffen (Get-Together) aller Teilnehmenden ergänzt ebenfalls häufig das Programm eines Hackathons und soll zum Austausch anregen.

Bei eintägigen Hackathon oder am letzen Tag des Hackathon finden am Nachmittag die sogenannten Pitches der Teams statt. Dabei stellen die Teams ihre Ideen und den jeweiligen Fortschritt vor und versuchen dabei die Mitglieder der Jury zu überzeugen. Nachdem alle Teams gepitcht haben, tagt die Jury und verkündet schließlich die Gewinnerteams.

  • Technische Details

    Da während der Coronazeit Hackathons ausschließlich virtuell stattfinden, ist es für die Teilnahme nötig, über einen stabilen Internetzugang zu verfügen. Weiterhin müssen die Organisatoren eine digitale Plattform zur Verfügung stellen, die einen Austausch und das Hochladen von Dokumenten ermöglicht. Die Teilnehmenden müssen sich vorab registrieren und erhalten dann einen Zugang zu der Plattform. Häufig werden bereits etablierte Social Media-Plattformen (z.B. LinkedIn, Instagram, Facebook, Youtube, etc.) oder Projektmanagement-Tools (z.B. Slack) eingesetzt.

Beteiligte

Häufig beteiligen sich an Hackathons, wie auch an dem "WirVsVirus"-Hackathon, Programmierer*innen und Softwareentwickler*innen aus unterschiedlichen Fachbereichen, Städten und Ländern. Es ist aber ebenso gut möglich, dass Menschen ohne IT-Hintergrund bzw. ohne Progammierkenntnisse an einem Hackathon teilnehmen, wenngleich dies eher seltener geschieht. Sie bringen bspw. ihre medizinischen, sozialwissenschaftlichen oder rechtlichen Kenntnisse in den Prozess mit ein. Sie berichten die aus ihrer Sicht wichtigsten Probleme und welche Lösungen es geben könnte. Die Bundesregierung und Organisationen sowie Unternehmen aus dem zivilgesellschaftlichen und IT-Bereich fördern die Aktivitäten. Der Chef des Bundeskanzleramts, Dr. Helge Braun, war Schirmherr der Veranstaltung "WirVsVirus"-Hackathon; es nahmen insgesamt 28.000 Personen teil. Dies stellte für Hackathons einen neuen Rekord in Deutschland dar. 

Herausforderungen

Grundsätzlich ist es so, dass durch den Austausch der Teilnehmenden und die offene Herangehensweise von "Hackathons" viele kreative Ideen entwickelt werden können. Dies führt auch dazu, dass Teilnehmende das Gefühl haben, gemeinsam an einem wichtigen Projekt zu arbeiten.

Gleichzeitig stellt es jedoch auch eine Herausforderung dar, die vielen Ideen zu bündeln und zu erreichen, dass aus den vielen Vorschlägen auch Projekte in der Praxis werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass interessante Ideen nach der Diskussion einfach wieder "in der Schublade verschwinden". Weiterhin ist es wünschenswert, dass sich Personen aus möglichst vielen fachlichen Bereichen und Disziplinen an einem Hackathon beteiligen. Vielfach nehmen allerdings vor allem Personen aus dem IT-Bereich teil, die aus ihrem Fachbereich viele wichtige Erkenntnisse einbringen können. Dies kann jedoch dazu führen, dass etwa medizinische oder soziologische Wissenslücken bestehen bleiben und die digitalen Produkte nicht immer bedarfsgerecht entwickelt werden. Ebenso verstehen die Teilnehmenden unter den einzelnen Begriffen und Konzepten oftmals etwas anderes, eben weil sie unterschiedlichen Berufsgruppen angehören.  Daher sollte zu Beginn eines Hackathons ein einheitliches Verständnis von benutzten Begriffen geschaffen werden.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, die bearbeiteten Ideen und die Ergebnisse in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Das gilt vor allem auch für die weniger erfolgreichen und fehlgeschlagene Vorhaben. Dies könnte beispielsweise durch eine systematische Aufarbeitung und eine zentrale Datenbank für die Ergebnisse erreicht werden. Damit könnte man verhindern, dass eine Wiederholung derselben Fehler vermieden wird und positive Energie noch besser gebündelt werden kann. Außerdem kann leichter an die Vorarbeiten aus einem Hackathon angeknüpft und das Vorhaben weiterentwickelt werden. So ließen sich vor allem auch Ressourcen gerade in Krisenzeiten, in denen vor allem schnelle und zielführenden Innovationen wichtig sind, noch besser bündeln. Hackathons könnten so auch auf den Ergebnissen vorherige ähnlicher Veranstaltungen aufbauen und diese weiterentwickeln.

Chancen

Für passgenaue Software- und Hardwareprodukte, die etwa Ärzte*innen oder Pflegekräfte gezielt bei ihren Arbeitsaufgaben helfen, müssen Entwickler*innen konkret wissen, welche Probleme und Bedürfnisse die einzelnen Berufsgruppen im Gesundheitswesen haben. Dafür ist ein intensiver Austausch zwischen den einzelnen Interessensgruppen (sog. Stakeholdern) erforderlich. Hackathons bieten die Chance, dass diese Gruppen intensiver miteinander kommunizieren und somit ein gemeinsames Verständnis von Problemen und Lösungen entwickeln können.

Dabei bieten Hackathons gerade auch für Programmierer bzw. Softwarenentwickler*innen die Möglichkeit, fachliche Expertise zu medizinischen oder betriebswirtschaftlichen Themen von außen zu erhalten. Durch externe Experten aus Industrie und Medizin (sog. Coaches) erhalten Entwickler*innen die Chance, ihr IT-Wissen gezielter und bedarfsgerechter einsetzen zu können. Häufig findet ein Austausch von unterschiedlichen Abteilungen und Berufsgruppen im Berufsalltag nur unzureichend statt. Die intensive Arbeit bei einem Hackathon über ggf. sogar mehrere Tage etwa bietet jedoch die Option, die Kommunikation zu intensivieren, das eigene Netzwerk zu erweitern und das Wir-Gefühl zu stärken. Ggf. kann die Zusammenarbeit sogar zu einer Unternehmensgründung (bzw. zur Gründung eines "Start-ups") führen, welches dann zu innovativen Produkten und Dienstleistungen beiträgt und sogar neue Arbeitsplätze schaffen kann.

ergebnisse

Grundsätzlich orientieren sich die Ergebnisse von Hackathons an der entsprechenden Zielsetzung bzw. Ausrichtung des Events. Etablierte Formate zielen in der Regel auf die Operationalisierung einer gefundenen Lösung, also die Übertragung in den Alltag einer Institution. Auch kann es gewünscht sein, dass aus der Idee des Hackathons eine neue Firma (Startup) gegründet wird. Ganz allgemein dienen Hackathons der Ausarbeitung und Weiterentwicklung von innovativen Ideen ab. In beiden Fällen steht jedoch die Stärkung der Interaktion mit und der Austausch zwischen teilnehmenden Akteuren im Fokus.

Den Sieger*innen von Hackathons winken neben Auszeichnungen, kleinere Preisgelder, umfassender Einstiegsförderung zur Unternehmensgründung, inhaltlicher Förderung auch der Einschluss in einen sog. Startup-Inkubator - einem Brutkasten für junge Unternehmen. Dabei handelt es sich um eine Umgebung, welche die technischen, räumlichen und fachlichen Rahmenbedingungen bereitstellt, die zur erfolgreich Unternehmensgründung notwendig sind. 

Wenngleich diese Möglichkeiten nur wenigen Teilnehemenden von Hackathons zuteil werden, gibt es darüber hinaus auch immaterielle Ziele und Ergebnis für die Teilnehmenden. Diese können sowohl durch inhaltlichen Fortschritt, einem individuellen Wissenszuwachs, der Erweiterung des beruflichen oder persönlichen Netzwerks, dem Interesse an fremden Projekten, dem Erfahrungsaustausch, der Eröffnung neuer Karrieremöglichkeiten oder schlichtweg dem Spaß am Ausprobieren und "Hacken" bestimmt sein.

Auch aus Sicht von Ausrichtern und Sponsoren stellt dieses Format ein interessantes Umfeld dar. Denn neben dem Potential, talentierte und kreative Mitarbeitende zu werben, bietet ein Hackathon eine ideale Plattform, um sich als innovatives Unternehmen oder Institution (bspw. Ministerium) zu präsentieren.

  • Ergebnisse des bundesweiten WirvsVirus Hackathons

    Von den über 28.000 Hackathon-Teilnehmenden wurde sehr viele unterschiedliche Lösungen und Ansätze erarbeitet. Die Lösungen, die letztlich für eine intensivere Förderung und für die Entwicklung von Prototypen ausgewählt wurden, können auf Youtube angesehen werden:

  • Ergebnisse des 4. Kieler Healtcare Hackathons

    Der 4. Kieler Healtcare Hackathon des Universität Klinikums Schleswig Holstein (UKSH) wurde nicht, wie bisher üblich, in der Sparkassen-Arena Kiel, sondern erstmalig virtuell unter der Schirmherrschaft des schleswig-holsteinischen Ministers für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, ausgerichtet. Alleine über Soziale Medien wie Instagram und LinkedIn erreichten Veröffentlichungen und Werbeanzeigen etwa 400.000 Menschen.

    Eine Liveübertragung der Vorträge sowie der Aktivitäten in den Arbeitsgruppen der teilnehmenden Teams fand über die Plattformen YouTube und Facebook statt. Der Livestream verzeichnete in der Spitze 424 Zuschauer bei insgesamt 5.628 Livestream-Aufrufen. Insgesamt arbeiteten 130 Hacker in 26 Teams aus verschiedenen medizinischen Themenfeldern zusammen. Siebzehn Teams stellten am Ende der Veranstaltung im Rahmen der "Pitches" (Vorstellung der Idee/ des Projektes) ausgearbeitete Produkte, Konzepte und Prototypen vor. Diese arbeiteten gemeinsam mit 24 klinischen und 30 informationstechnischen Coaches an den "Challenges" und Ideen. Dabei stammten die Ideen sowohl von klinisch und wissenschaftlich tätigen Krankenhausmitarbeitern aber auch von den teilnehmenden Hackern selbst. 

    Insgesamt überzeugten 7 Teams die Jury, bestehend aus Expert*innen der Firmen Siemens Healthineers, IBM und AWS sowie der Techniker Krankenkasse, dem Vorstand des UKSH sowie dem angegliederten Institut für Medizininformatik, dem IT-Dienstleister des UKSHs und Weiteren. Die Jury orientierte sich bei ihrer Entscheidung über eine Onlineumfrage an den Meinungen der Livestream-Zuschauerschaft. Dabei erklärte die Jury Teams aus den Themenbereichen App-gestützter Patient-Journey für Kinder (FirstAidKID), Robotik in der Krankenhaus-Logistik (Imito), KI-gestützte 3D Analyse von Hautlymphomen (EyeScan), sprach- und gestikgesteuerte Assistenzsysteme in der Intensivmedizin (Voice4Care), Digitalisierung der Besuchsplanung für Angehörige von Covid-19 Patienten, telemedizinische Versorgungskonzepte (TH360), App-gestütze Diagnostik von Erkrankungen des vorderen Auges (EyeScan) und ein Team mit einer Idee zu 3D gedruckten Körperteilen als haptisches Interface für MRT-Daten (MoinccPlus) zu Siegern. 

    Die Gewinnerteams werden zu Beginn 2021 am Healthcare Hackathon des Healthcare Innovation Hubs Berlin teilnehmen, um sich neben den Sieger*innen weiterer Healthcare Hackathons aus Mainz und Berlin vor einer Jury um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu präsentieren.

    Bis dahin werden sowohl die Siegerteams als auch die übrigen Teams durch die Coaches unterstützt. Neben dem eigentlichen Wettstreit des Hackathons fand in einer Vielzahl von Teams auch ein Austausch zwischen Forschungs- und Versorgungsmitarbeitenden des UKSH sowie jungen Startups statt. Dieses Umfeld bildete den Nährboden für weitere gemeinsame Projekte außerhalb des Hackathons. 

    Mit der Einrichtung des buchbaren Innovationsraums "Adrenalin" an den Standorten Kiel und Lübeck plant das UKSH interne und externe Ideen und Innovationen des Hackathons und darüber hinaus nachhaltig zu fördern.

    Die Veranstaltung kann unter auf Youtube nochmal angesehen werden.

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Ansprechpartner & Verwendung

Falls Sie Fragen haben oder den Kontakt mit uns aufnehmen möchten, wenden Sie sich gerne an die Funktionsadresse ag.chi@gmds.de

Mitgearbeitet haben (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Benjamin Kinast
  • Björn Schreiweis
  • Brigitte Strahwald
  • Martin Wiesner
  • Monika Pobiruchin
  • Veronika Strotbaum

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