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Consumer Health Informatics (CHI)

Coronakrise - Welche digitalen Angebote helfen könn(t)en

Aktuell werden in der Politik und in den Medien zahlreiche neue Ideen diskutiert, wie man die Verbreitung des neuartigen Coronavirus (COVID-19) besser kontrollieren kann. Dies wirkt sich in Zeiten von Kontaktvermeidung auch auf etablierte Versorgungskonzepte und -strukturen aus. Neuartige digitale Angebote sollen Bürger*innen und Menschen in Gesundheitsberufen dabei unterstützen, den Alltag oder das Berufsleben trotz des Coronavirus aufrecht zu erhalten oder (neu) gestalten zu können. 

Die neuen Angebote unterscheiden sich jedoch in ihrer Zielsetzung und ihren Ansätzen. Für Bürger*innen ist es daher nicht immer einfach den Überblick zu behalten. Die nachfolgenden Texte sollen hier eine Einordnung in aktuelle Themen und Entwicklungen geben. Sie werden in Form von Episoden gezielt aufbereitet und durch die Autoren in regelmäßigen Abständen veröffentlicht.

Den Anfang macht der heutige Text, der "die" intensiv diskutierte Corona-App aufgreift und die unterschiedlichen Konzepte vorstellt.


Episode 1 - Wann kommt denn jetzt die App?

In der Berichterstattung zum neuen Coronavirus wird in den öffentlichen Medien derzeit viel über die Einführung von "Corona-Apps" gesprochen, beispielsweise zu sogenannten Tracing-Apps. Über die verschiedenen Möglichkeiten der Umsetzung einer solchen Tracing-App wurde in Social-Media Kanälen seit Ende März 2020 umfangreich diskutiert. In diesem Zusammenhang stellte das Robert Koch-Institut (RKI) am 7. April 2020 eine eigens entwickelte, nationale Datenspende-App vor. Die Resonanz war zeitweise derart hoch, dass kurzzeitig keine Daten übermittelt werden konnten. In Talkshows ist zunehmend der Satz zu hören: "Aber wann kommt denn jetzt die App?" oder etwa "Es kann nur eine App geben!". Tatsächlich existieren inzwischen mehrere Apps mit sehr unterschiedlichen Zielen. Von der einen Corona-App kann daher nicht länger gesprochen werden.

Mit diesem Überblick möchten die Autoren die unterschiedlichen Zielsetzungen und Ansätze vorstellen, um somit Orientierung in der schwer überschaubaren Lage zu ermöglichen.

Datenspende-App

Ziel

In der aktuellen Krise benötigt die Wissenschaft Daten zur Erforschung der COVID-19-Erkrankung. Ebenso benötigt die Politik für zielgerichtete Entscheidungen die notwendigen Informationen, beispielsweise um Lockerungsmaßnahmen zu bewerten. Hierfür können freiwillig am Körper gemessene Daten einen sehr wichtigen Beitrag leisten. Körpertemperatur, Puls und Angaben zur persönlichen Aktivität können in Kombination mit der Postleitzahl genutzt werden, um so früh wie möglich festzustellen, ob und an welchem Ort jemand erkrankt ist. Somit kann die Ausbreitung des Coronavirus regional und zeitnah mit speziellen Computerprogrammen ausgewertet werden. Gesundheitsämter und Behörden können frühzeitig Eindämmungs- oder auch Lockerungsmaßnahmen beschließen.

Beteiligte

Die in Deutschland vorgestellte Corona-Datenspende-App wird vom Robert Koch-Institut herausgegeben. Die App wurde in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen aus Berlin entwickelt (mHealth Pioneers GmbH). Die gespendeten Daten wertet das Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit der Humboldt Universität zu Berlin aus, um der Politik eine wissenschaftliche Grundlage für passgenauere Entscheidungen zu liefern (Link).

  • Technische Ansätze

    Mit einem Smartphone verbundene oder eigenständig funktionierende Fitnesstracker können Daten über den eigenen Körper erfassen. Diese werden strukturiert auf dem Smartphone gesammelt. Nutzer und Nutzerinnen können dann eigenständig entscheiden, ob sie Daten freigeben und somit spenden wollen. Die gespendeten Daten werden hierdurch an die Stelle der zentralen Datensammlung übermittelt und gespeichert. Somit können diese für Zwecke der wissenschaftlichen Auswertung eingesetzt werden, z.B. um frühzeitig regionale Schwerpunkte zu erkennen und die Gesundheitsämter durch gezielte Informationen zu unterstützen.

Herausforderungen

Persönliche Gesundheitsdaten sind besonders schützenswert. Daher müssen solche digitalen Angebote den Schutz der gespendeten Daten in besonderem Maße sicherstellen. Nutzer müssen wissen, wo und wie lange die persönlichen Daten gespeichert werden. Ebenso muss beachtet werden, dass nur bestimmte Modelle von Fitnesstrackern geeignet sind. Nicht alle Menschen in Deutschland besitzen jedoch ein geeignetes Gerät. Des Weiteren nutzen typischerweise eher sportlich aktive oder jüngere Menschen solche Geräte. Das führt dazu, dass etwa die Daten von Risikogruppen bisher nicht ausreichend berücksichtigt werden und damit eine Verzerrung der Ergebnisse bedacht werden muss.

Tracing-App(s)

Ziel

Diese Apps sollen Gesundheitsämter unterstützen, indem Infektions- und Kontaktketten schneller ermittelt werden können. Zusätzlich zu Fragebögen, Stift und Telefonaten soll eine App genutzt werden. Das könnte so aussehen: Man bekommt einen positiven Laborbefund und gibt diesen in der Tracing-App ein. Alle Menschen, mit denen man sich über einen längeren Zeitraum in engerem Kontakt befunden hat, erhalten eine Benachrichtigung auf ihr eigenes Smartphone. Dadurch können möglicherweise infizierte Personen frühzeitiger die empfohlenen Maßnahmen beachten. Somit kann eine Tracing-App die Arbeit der Nachverfolgung von Infektionsketten durch die Gesundheitsämter unterstützen. Dabei geht es vor allem um die Unterbrechung von Infektionsketten.

Beteiligte

Die App wird gemeinsam vom Robert-Koch-Institut, dem Bundesgesundheitsministerium sowie Firmen aus dem IT-Bereich wie SAP und der Telekom entwickelt.

  • Technische Ansätze

    Eine Tracing-App nutzt die technischen Möglichkeiten eines Smartphones um festzustellen, ob zwei Personen in engem Abstand in Kontakt waren, so dass eine Übertragung von SARS-COV-2 Erregern möglich wäre. Hierzu wird z.B. die Bluetoothtechnologie als ein vielversprechendes Mittel eingeschätzt. Anhand der Bluetoothsignalstärke wird eingeschätzt, ob ein Kontakt zwischen zwei Smartphones bestand oder nicht. Der so entstandene Kontakt kann hierdurch registriert werden. Somit können Kontaktketten besser dokumentiert und im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus nachvollzogen werden. 

    Aktuell existieren zwei unterschiedliche Ansätze für Tracing-Apps, die sich in der Art der Datenspeicherung unterscheiden. Beim Ansatz der zentralen Speicherung von Daten (PEPP-PT) werden diese auf einem oder wenigen zentralen Orten (Servern) abgelegt. Die Alternative (dezentral, DP3T) sieht vor, dass die erfassten Daten auf sehr vielen Geräten verteilt sind. Nach aktuellem Stand sollen die Daten auf vielen Geräten verteilt (dezentral) gespeichert werden.

    Der dezentrale Ansatz ermöglicht ausschließlich die Nachvollziehbarkeit von Infektionsketten. Es werden hierbei außer der anonymisierten, sich regelmäßig ändernden Identifikationsnummer von Infizierten keine Daten an einen Server übermittelt, während die Daten lokal nur temporär (ca. 14 Tage) gespeichert werden. Eine Feststellung der Identität von Infizierten ist hierdurch nicht möglich bzw. ist nur schwerlich möglich. Eine weitergehende Auswertung wäre lediglich bei zentraler Speicherung von Daten möglich. Bei einer zentralen Speicherung könnten nämlich zusätzliche Informationen wie Standorte oder Dauer des Kontaktes gespeichert werden.

    Weiterführende Informationen zur Unterscheidung des zentralen und dezentralen Ansatzes werden in einem weiteren Beitrag vorgestellt.

Herausforderungen

Persönliche Gesundheitsdaten sind besonders schützenswert. Tracing-Apps müssen daher den Schutz der gespendeten Daten sicherstellen. Die Nutzung der App ist derzeit freiwillig. Dies ist aus Sicht des Datenschutzes begrüßenswert. Dadurch werden aber nur diejenigen Personen bei Kontakten mit Infizierten gewarnt, die die App auf dem Smartphone installiert haben. Einige Menschen können oder möchten jedoch keine solche App nutzen. Ein weiteres Problem ist, dass viele Personen nicht sofort den Unterschied zwischen der Tracing-App und der Datenspende-App des Robert Koch-Instituts erkennen, da in dies auch in den Medien häufig nur unzureichend bzw. unscharf beschrieben wird.

Fazit

Freiwillige, digitale Anwendungen haben das Potential, in der Bewältigung der Corona-Krise zu unterstützen.

Die Datenspende-App des RKI ermöglicht, dass die Gesundheitsbehörden regionale Ausbrüche rascher erkennen können. Notwendig hierfür ist, dass die Nutzer sowohl über ein Smartphone als auch über ein unterstütztes Fitnessarmband verfügen und sich die Datenspende-App des RKI herunterladen. Zudem ist noch nicht abschließend untersucht, inwiefern oder wie gut eine Datenspende-App hilft, Maßnahmen zur Eindämmung der neuen Erkrankung zu unterstützen.

Daneben werden Tracing-Apps diskutiert, die es über die Bluetooth-Technologie ermöglichen, Kontaktpersonen von positiv Getesteten in Erfahrung zu bringen und zu informieren. Für Tracing-Apps gibt es verschiedene technische Ansätze. Die Bundesregierung hat entschieden, dass die Daten dezentral gespeichert werden, d.h. auf den eigenen Geräten und nicht auf einem zentralen Server. Seitens der Bundesregierung und des RKI müssen Bürger darüber informiert werden, welche Daten für die Apps verwendet werden und wo bzw. wie lange jene gespeichert werden. Nach aktueller Einschätzung ist es für einen nutzenstiftenden Einsatz jedoch wichtig, dass mindestens 50 oder 60 Prozent der Bevölkerung die Tracing-App nutzen.

Für Bürger ist es mitunter schwierig, bei den unterschiedlichen, digitalen Angeboten den Überblick zu behalten. Es ist daher wichtig, dass die Bundesregierung und das RKI transparent darüber informieren, welchen Zweck die bereits vorgestellten App-Angebote haben und welche Ziele damit jeweils erreicht werden sollen. Hinzu kommt, dass es weitere COVID-19-Apps von privaten Anbietern bzw. Entwicklern gibt. Diese ermöglichen z.B. digitale Symptomtagebücher, welche oft in Zusammenhang mit der Datenspende diskutiert werden.


Ansprechpartner & Verwendung

Falls Sie Fragen haben oder den Kontakt mit uns aufnehmen möchten, wenden Sie sich gerne an die Funktionsadresse ag.chi@gmds.de

Mitgearbeitet haben (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Björn Schreiweis
  • Brigitte Strahwald
  • Martin Wiesner
  • Monika Pobiruchin
  • Veronika Strotbaum

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